DHZ aktuellErfolgreiche Brüder
Norbert und Hermenegild Peiker starteten beide ihre Karrieren im Handwerk
Norbert Peiker ist stark vom Krebs gezeichnet. Sein Arzt spricht von einem Wunder, dass er überhaupt noch am Leben sei. Seit fast drei Jahrzehnten kämpft der 83jährige gegen die tückische Krankheit und sein Aufenthalt im Herbst 2023 in Augsburg war der letzte. Er wird den Rest seines Lebens im US-Bundesstaat Ohio verbringen, seiner Wahlheimat als Augsburger, und damit auch seinen jüngeren Bruder Hermenegild, 79 Jahre alt, zum letzten Mal getroffen haben.
Dass Norbert Peiker nach wie vor gegen den Krebs die Oberhand behält, mag zum einen an seiner Liebe zum Sport, seiner sportlichen Vergangenheit liegen. Er ist in den USA zahlreiche Marathons gelaufen, war ein Mal sogar der Drittbeste beim nationalen Halbmarathon in der Seniorenklasse. Zum anderen sind es wohl auch sein Ehrgeiz und seine enorme Zähigkeit, die ihn in seinem Leben viel erreichen ließen.
Karrierestart im Handwerk
Norbert und Hermenegild Peiker können auf ein ereignisreiches und erfolgreiches Berufsleben zurückblicken. Und ihre beiden Karrieren nahmen im Handwerk ihren Anfang. Norbert begann seinen Berufsweg in Augsburg mit einer Maurerlehre, die er 1960 erfolgreich abschloss, unter anderem als Kammersieger beim Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks, heute: Deutsche Meisterschaft im Handwerk. Von dieser Station hat er es bis zum gefragten Architekten in den USA, im Bundesstaat Ohio geschafft. Und sein Weg nahm schon als kleiner Steppke seinen Anfang.
Der Zinnbecher für den Kammersieg Norbert Peikers 1960.
Als er als Dreijähriger im Februar 1944 nach der schweren Bombennacht in Augsburg mit seiner Mutter durch die Stadt geht, sagt er unter dem Eindruck der zerstörten Häuser: „Mama, ich helfe, das wieder aufzubauen.“ Dieser Satz prägte sein weiteres Leben. Erst als Maurer auf den Baustellen, später, nach einem Studium am Rudolf-Diesel-Polytechnikum (heute: Technische Hochschule Augsburg) als Architekt und Planer.
Erfolg in den USA
1969 erreichte ihn der Ruf aus Amerika, dem er folgte. Das bekannteste seiner Projekte, bei dem er für die Sanierung zuständig war, ist der LeVeque Tower in Columbus, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Ohio. Der Turm mit 47 Stockwerken ist auch das Wahrzeichen von Columbus. Darüber hinaus war Norbert Peiker für viele weitere, sehr verschiedene Projekte verantwortlich. Unter anderem für die Senior High School in Mansfield in Ohio, einer Art Gesamtschule, auch mit viel handwerklicher Ausbildung.
Norbert Peiker gab seine Erfahrung und sein Wissen auch an die jüngere Generation weiter und lehrte von 1980 bis 1988 an der Ohio State University. Darüber hinaus war er in der Chamber of Commerce of Richland County, der örtlichen Wirtschaftskammer aktiv und sorgte dort für die Einführung des „Small business of the Year Awards“, einem Preis für kleine Unternehmen. Höchste Anerkennung fand er dann mit der Aufnahme als Mitglied des American Institute of Architects (AIA), College of Fellows. Nur drei Prozent der aktiven Architekten erfahren diese Anerkennung in den USA.
Bruder erfolgreich als Kunstmaler
Auch seinen Bruder Hermenegild zog es für einige Zeit in die USA, nach San Francisco im Bundesstaat Kalifornien. Er bemalte dort zwei Decken in einem Wolkenkratzer von 1920 für einen reichen Schmuckhändler. Hauptsächlich hatte Hermenegild seine Projekte aber in Deutschland sowie in Italien und in der Schweiz.
Nach einer Kirchenmalerlehre und – wie sein Bruder – dem Kammersieg in seinem Gewerk 1964 arbeitete Hermenegild erst im Allgäu als Kirchenmaler, dann für den bekannten Kunstmaler Karl Manninger aus Landsberg am Lech. Nach einem Engagement in der Schweiz machte er seine Meisterprüfung und studierte anschließend Kunstmalerei an der Werkkunstschule, heute ebenfalls Teil der Technischen Hochschule Augsburg.
Restaurierung des Goldenen Saals
Mit 24 Jahren machte er sich selbstständig. Unter anderem arbeitete er als freischaffender Künstler für die Münchener Residenz. Danach, von 1984 bis 1990, kümmerte er sich auch um die Restauration des Goldenen Saals im Augsburger Rathaus, wofür er ausgezeichnet wurde.
Das Ölgemälde über dem Eingangsportal wie auch die Wandfresken des Goldenen Saals im Augsburger Rathaus hat Hermenegild Peiker in den 80er Jahren restauriert.
Weitere bekannte Projekte waren das Langhaus am Alten Peter in München (1999/2000) und in Augsburg die Kuppel der Michaelskirche auf dem Hermanfriedhof (2001/2002). In Weimar kümmerte sich Hermenegild Peiker nach einem Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek um die Wiederherstellung der Deckenmalereien.
Bei unserem Gespräch im Goldenen Saal im Augsburger Rathaus ist auch der aktuelle Fachkräftemangel ein großes Thema. Norbert Peiker sieht viele Parallelen dazu in den USA. Auch dort fehlten Maurer oder Arbeitskräfte im SHK-Bereich. Er rät jungen Menschen in jedem Fall zu einer Ausbildung im Handwerk.
„Es ist besser, erst einen Beruf zu lernen. Studieren kann man später immer noch, wenn man reifer ist“, so Peiker. Und dann, mit der Erfahrung und dem Erfolg eines 83jährigen Mannes: „Junge Menschen sollten sich nicht zu sehr ablenken lassen, sollten mit Enthusiasmus ein Ziel verfolgen und sich von Rückschlägen nicht platt machen lassen.“
Hier weitere Fotos von Projekten von Kunstmaler Hermenegild Peiker:
Hermenegild Peiker bei der Rekonstruktion eines Freskos im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses 1988.
Fresken an einem Privathaus im italienischen Navazzo in der Nähe von Brescia. Links die griechische Mythengestalt Leda, die laut griechischer Mythologie mit Göttervater Zeus Apollo zeugte. Rechts Bacchus, der römische Gott des Weines. Eigenschöpfungen Hermenegild Peikers.
Weitere Eigenschöpfungen Hermenegild Peikers in der Thomas von Aquin-Kirche im österreichischen Graz. Gezeigt werden Szenen aus dem Leben von Thomas von Aquin.
Ebenfalls in der Thomas von Aquin-Kirche in Graz: Eine Darstellung von Gott mit den sieben Erzengeln.
Das Langhaus am Alten Peter in München. Es war im Krieg zerstört worden. Hermenegild Peiker rekonstruierte das Deckengemälde mit 21 Metern Länge und 8 Metern Breite in den Jahren 1999 und 2000.
Fresko-Rekonstruktion in der St. Michaels-Kirche im Augsburger Hermanfriedhof.
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